Zum
Namen Nierendorf
Vor mehreren Jahrhunderten lagen die Häuser dieser
Ortschaft sehr zerstreut "das wird nie ein Dorf"
– (Nie-ein-Dorf) sagten die Leute. In Wirklichkeit
heißt der Name einfach niederes Dorf ( nithiri
= nieder). Nierendorf ist entstanden im frühen
Mittelalter nach dem um 400 erfolgten Zusammenbruch
der römischen Herrschaft am Niederrhein.
Namensentwicklung: 1117 Nithirindorp -1240 Nirendorp
-1299 Nevendorp -1500 Neyndorff heute: Niendörep
(Umgangssprache)
Nierendorf hat gemäß mündlicher Überlieferung
aus mehreren Teilen bestanden, Niedernierendorf, Obernierendorf,
weitere kleine Siedlungen lagen über die Gemarkung
verstreut, z.B. die Rischmühle. Andere Gehöfte,
insbesondere nahe der alten Frankfurt-Achener-Heerstraße
gelegene Gehöfte sind untergegangen.
Bis zur französischen Besatzungszeit um
1800 gehörte Nierendorf zur Herrschaft Landskron
(Landskroner Herren), während die übrigen
Orte der Pfarrei Leimersdorf zur Grafschaft Neuenahr
gehörten. Im Bewußtsein der Bevölkerung
ist das heute noch erkennbar. So sagt man: Ich gehe
auf die Grafschaft. Nierendorf war nie eine eigene Pfarrei,
so besaß es doch eine große Selbständigkeit,
indem es einen eigenen Seelsorger, Küster sowie
Kirche, Pfarrhaus, Küsterwohnung, Friedhof, Sendschöffen,
eigenes Rechnungswesen und einen Kirchenrechner hatte.
Eine Kuriosität: Obernierendorf gehörte rechtlich
zur Pfarrei Leimersdorf, einige Häuser von Niedernierendorf
gehörten über lange Zeit bis 1805 zur Pfarrei
Kirchdaun.
1890: Bau eines neuen Pfarrhauses und
1898/99 Bau einer neuen Kirche. Vor dem Hintergrund,
daß Nierendorf keine Pfarrei war, sondern lediglich
eine Filialkirche hatte, besaß Nierendorf trotzdem
von 1918 bis 1982, also 64 Jahre, eigene Geistliche;
vor 1918 gab es eine 64-jährige Durststrecke, also
keine Pfarrer. Seit 1724 hat Nierendorf eine eigene
Schule – dieses Schulgebäude wird seit den
70´er Jahren als Bürgerhaus genutzt.
Die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung: von den
Anfängen bis in die Nachkriegszeit die Landwirtschaft;
heute gibt es noch 4 Haupterwerbsbetriebe. Neben der
Landwirtschaft spielte früher auch der Weinbau
im Ort eine gewisse Rolle. Seit 1117 werden Weingärten
genannt. 1809: 5,07 ha, 1859: 10 ha. Nach der Jahrhundertwende
verschwindet der Weinbau völlig. Handwerksbetriebe
befriedigten nur die Bedürfnisse der Dorfbevölkerung,
z. B. Schmiede, Schreiner, Schuster, Schneider und Gastwirtschaften.
Die Rischmühle ist schon im Jahre
1335 genannt. Ein Baugeschäft gibt es schon in
der 5. Generation. Im vorigen Jahrhundert wurden an
mehreren Stellen der Gemeinde Grafschaft in kleineren
Bergwerken Eisenerze, Braunkohle und andere Bodenschätze
gefördert. In der Gemarkung Nierendorf hat man
im 18. Jahrhundert das Kupfer- und Bleibergwerk
"Arget" betrieben. Der Stolleneingang
ist heute noch hinter der Rischmühle sichtbar.
Von 1881 bis in die 20´er Jahre baute man Ton
ab. Nennenswert ist der Abbau von Basaltsteinen
auf einer markanten Höhe in Nierendorf, dem Americh,
wo traditionell heute noch das Martinsfeuer abgebrannt
wird.
Verkehrsmäßig lag Nierendorf keineswegs abgeschieden,
denn eine Fernstraße führte südlich
des Dorfes vorbei. Es handelt sich um die Heerstraße,
später Poststraße, Handels- und Pilgerweg
zwischen Frankfurt und Aachen. Die in Frankfurt
gewählten Könige fuhren mit Kutschen bzw.
einem ganzen Troß über diese Heerstraße
nach Achen, eine Attraktion für die Dorfbevölkerung.
Rund 1000 Jahre bis ins vorige Jahrhundert hinein besaß
diese Heerstraße eine größere Bedeutung
als die heutige westlich des Dorfes vorbeiführende
Autobahn. Seit 1870 versuchte die Bürgermeisterei
in Ringen einen Anschluß an das Eisenbahnnetz
zu erhalten. 1918 begann man mit dem Bau einer Stichbahn
von Ringen nach Nierendorf. Zwischen Nierendorf und
Leimersdorf wurde ein Bahnhof geplant. Heute wird das
Gelände vom Sportplatz genutzt. Seit Herbst 1926
war die Strecke bis zum geplanten Bahnhof im Unterbau
fertig. Dann stockte die Fortführung in Richtung
Bad Bodendorf an der Ahr. Geplant war, die Strecke vom
Bahnhof Nierendorf in einem Bogen um Birresdorf herumzuführen,
östlich wieder an Nierendorf vorbei über Kirchdaun
zur Ahr laufen zu lassen. Streitigkeiten über die
Linienführung, hohe Kosten wegen der notwendigen
Brückenbauten und Tunnels führte dazu, daß
die Aktivitäten eingestellt wurden. Heute ist uns
Nierendorfern der Bahndamm geblieben, der vor 8 Jahren
mit über 6000 Jungbäumen und Sträuchern
bepflanzt wurde.
Eine weitere Station in der Erschließung des Dorfes
war die Errichtung einer Postagentur
im Jahre 1895, einer Telegraphenanstalt mit
Fernsprechbetrieb im Jahre 1897 und schließlich
der Bau einer Wasserleitung im Jahre 1957.
Kulturelles Leben im Dorf spielt sich
im wesentlichen in den Vereinen ab.
Die beiden ältesten Vereine sind die Sankt-Sebastianus-Bruderschaft,
die vor 1520 gegründet wurde und heute mehr als
660 Mitgliedern nicht nur aus Nierendorf zählt
sowie der am 15. Juni 1901 gegründete Junggesellenverein.
Hinzu kommen in neuerer Zeit der Möhnenverein,
das Fanfarencorps Blau-Weiß-Nierendorf, das Musikcorps
Grafschaft mit Sitz in Nierendorf sowie die die 1998
gegründete Trägergemeinschaft für die
alte Schule. Die Gründung der heute noch bestehenden
Feuerwehr erfolgte 1922.
Ein wichtiges Datum in der neueren Geschichte des Dorfes
ist das Jahr 1974. Bis dahin war Nierendorf eine selbständige
Ortsgemeinde in der Verbandsgemeinde Ringen. Aus wirtschaftlichen
Gründen hatte man sich entschlossen, aus der Verbandsgemeinde
Ringen eine verbandsfreie Gemeinde Grafschaft zu gründen
mit der Folge, daß politisch gesehen die Selbständigkeit
der Dörfer und damit auch Nierendorf aufgehoben
wurde. Die Interessen des sog. Ortsbezirks Nierendorf
– wie es seit 1974 heißt – werden
bei der Gemeinde Grafschaft durch die neuerdings direkt
gewählten Ortsbeiräte und den Ortsvorsteher
vertreten. Letztendlich werden die politischen Entscheidungen
in Ortsangelegenheiten im Grafschafter Gemeinderat getroffen.